28.7. Stadtwerke Backnang träumen immer noch von H2 im Gasnetz
Heute wird in der Backnanger Zeitung in einem Interview mit dem Geschäftsführer der Stadtwerke der Traum vom Wasserstoff im Gasnetz wiederholt. Deshalb formulierte ich eine zweite Mail an die Verantwortlichen bei den Stadtwerken (Herrn Thomas Steffen), der Stadtverwaltung (Herrn OB Friederich) und der Redaktion (Herrn Cornelius Fritz):
Sehr geehrter Herr Steffen,
sehr geehrter Herr Fritz,
im Artikel träumen sie beide erneut vom grünen Wasserstoff, der eines Tages über das Gasnetz der Stadtwerke verteilt werden könnte. Schade, dass die Redaktion der BKZ nicht wenigstens in einem Kästchen neben dem Artikel auf die realen Chancen für diesen Traum hinweist.
1) Wasserstoff ist nur dort hilfreich für den Klimaschutz eingesetzt, wo es keine andere Alternative dafür gibt (so der Sachverständigenrat der Bundesregierung und noch zahlreiche andere wissenschaftliche Studien).
"Für Gebäudeheizungen und im Pkw-Verkehr ist die Nutzung von Wasserstoff hingegen ineffizient und deutlich teurer als eine direkte Elektrifizierung mittels Wärmepumpen und batterieelektrischen Fahrzeugen." (1)
"Mit Hilfe der Empfehlungen des Rats muss die Bundesregierung nun die richtigen Weichen stellen: Raus aus Wasserstoff auf fossiler Basis und keine Beimischung im Erdgasnetz." (2)
2) Wasserstoff ist der "Champagner der Energiewende" (wie Claudia Kemfert und zahlreiche andere Wissenschaftler erklären). Selbst wenn eines Tages die Stadtwerke Wasserstoff in ihrem Gasnetz anbieten könnten, wer von den Kunden möchte diesen hohen Preis denn bezahlen, solange durch Wärmepumpen erzeugte Wärme deutlich billiger sein wird? Die Investitionen in ein Wasserstoff taugliches Gasnetz werden sich nicht rentieren und als Schuldenfalle für die Stadtwerke wirken. Wer soll diese Schulden dann tragen? Die Kunden oder der Steuerzahler?
"Im Moment, findet Claudia Kemfert ein überzeugendes Bild, sei grüner Wasserstoff so etwas wie "der Champagner unter den Energieträgern: teuer und nur für besondere Gelegenheiten". Wasserstoff, das ist ihr Rat, solle deshalb nur dann verwendet werden, wenn es keine andere Alternative gebe, zum Beispiel Strom." (3)
3) Das Budget an klimawirksamen Gasen ist für die BRD nach einem Worst Case Szenario für die 1,5° Begrenzung der Temperaturerhöhung schon 2024 (oder schon heute, je nach Quelle) erschöpft. Danach dürfen eigentlich keine fossilen Energiequellen mehr genutzt werden. (5) (6) Die Stadtwerke müssten also schon ab 2024 reinen Wasserstoff in ihr Gasnetz einspeisen oder kein Gas mehr den Kunden liefern, sonst kann die 1,5° Grenze zumindest für Backnang nicht eingehalten werden. Wie sollen ihre Kunden in der Übergangszeit bis zur Einspeisung von reinem Wasserstoff heizen?
„Das Budget ist extrem knapp – ...“, stellt MCC-Generalsekretärin Brigitte Knopf klar. „Wie groß der Handlungsdruck ist, führen uns Extremwetter-Ereignisse rund um den Erdball eindringlich vor Augen, und der neue Bericht des Weltklimarats zieht eine erschreckende Trend-Bilanz zu Hitzewellen, Starkregen und auch zum Anstieg des Meeresspiegels. Die globale Klimapolitik ist bisher überhaupt noch nicht in der richtigen Spur, nicht für das 2-Grad-Ziel und schon gar nicht für das 1,5-Grad-Ziel. Sie braucht jetzt unbedingt wirksame Instrumente.“ (4)
Nun bin ich gespannt, wie lange der Vorstand der Stadtwerke und dessen Aufsichtsrat diesen unrealistischen Traum vom grünen Wasserstoff noch träumen werden.
Quellen:
3) https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nachhaltigkeitsgipfel-strom-kosten-experten-1.5612464
6) https://www.tech-for-future.de/co2-budget/
Schon am 24.7. berichtete die BKZ von der Fertigstellung einer Gasleitung in Oppenweiler und dem Traum der Stadtwerke und der Stadtverwaltung, eines Tages in der Leitung auch Wasserstoff liefern zu können. Hier meine Mail vom 24.7. dazu:
Sehr geehrter Herr Friedrich,
sehr geehrter Herr Steffen,
sehr geehrter Herr Bühler,
In der BKZ war am Samstag folgendes zu lesen: "Zukünftig planen die Stadtwerke, auch weitere Wohngebiete in Oppenweiler an das Gasnetz anzuschließen."
Thomas Steffen: "Denn zukünftig sollen Wohngebiete über eine Heizzentrale in der Gemeindehalle teilweise mit Nahwärme versorgt werden."
Maximilian Friederich: "Dem Erdgas soll zukünftig immer mehr klimaneutraler Wasserstoff beigemischt werden".
Im aktuell in Backnang aufgeführten Theaterstück "Der Gänsekrieg" wird an einer Stelle mehrfach betont "Wissen verpflichtet". Dem möchte ich das Sprichwort "Unwissenheit schützt vor Strafe nicht" hinzufügen.
Angesichts der Klimakrise verwundern mich schon die blauäugigen Wiedergabe von Statements pro Gasleitungen. Denn schon ab 2024 ist der Einbau von Gasheizungen verboten. Warum wird dann nicht gleich in ein Nahwärmenetz investiert?
"Ab 1. Januar 2024 müssen Heizungen, die neu installiert werden - sei es im Neubau oder beim Austausch einer bestehenden Anlage - die Wärme mit einem Anteil von mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien (EE) liefern. Faktisch ist das gleichzusetzen mit einem Einbauverbot von fossilen Wärmeerzeugern wie Gasheizungen oder Ölkesseln. (1)"
Die Beimischung von "klimaneutralem" Wasserstoff als Argument für den weiteren Ausbau eines Gasnetzes heranzuziehen zeugt in meinen Augen ebenfalls von Unwissen. Die maximale Beimischung von Wasserstoff liegt zur Zeit bei 20 % (2). Es wird also weiterhin 80 % Erdgas benötigt. Erdgas wird immer teurer, Wasserstoff ist der "Champagner der Energiewende" und damit die teuerste Energiequelle für Wärme. Solange Wasserstoff nicht mit ÜBERSCHÜSSIGEM Strom aus regenerativen Quellen lokal erzeugt ist, kann er auch nicht klimaneutral sein.
Wasserstoff ist das kleinste Element und diffundiert deshalb durch jeden anderen Stoff. Daher müssen Gasleitungen entsprechend abgedichtet werden und alle Geräte, die mit dieser Mischung betrieben werden, entsprechend eingestellt und abgesichert sein. Das kostet. Wärmepumpen und Nahwärmenetze sind dagegen deutlich klimafreundlicher und billiger für die Kunden. Deshalb sollten die Stadtwerke keine neuen Gasleitungen legen, die ab 2024 nur noch einen geringen Durchsatz haben werden, sondern alle Investitionen voll auf die klimafreundlichen Lösungen konzentrieren.
Auch der Sachverständigenrat der Bundesregierung spricht sich wie alle Umweltverbände gegen den Einsatz von Wasserstoff für die Wärmeversorgung in Haushalten aus: "Eine zweite Fehlentwicklung droht bei der Nutzung von Wasserstoff: Nicht überall, wo grüner Wasserstoff und synthetische Energieträger eingesetzt werden könnten, ist dies ökonomisch und ökologisch sinnvoll. Wenn grüner Strom direkt genutzt werden kann – wie durch das E-Auto im Straßenverkehr oder die Wärmepumpe in der Wärmeversorgung –, ist das in der Regel preiswerter und umweltfreundlicher." (3)
"Unwissenheit schützt vor Strafe nicht", allerdings zahlen die Strafe nicht die "unwissenden" Politiker und Stadtwerke Chefs, sondern die Bürger, die deren Empfehlungen vertraut haben. Wenn Stadtwerke und Verwaltung in Backnang das 1,5° Klimaziel von Paris ernst nehmen, sollten sie sofort jede weitere Investitionen in das Gasnetz beenden und statt dessen voll auf Nahwärme setzen. Für Nahwärme Blockheizkraftwerke könnte übrigens immer noch ein Gasanschluss als Notfallversorgung sinnvoll sein.
-- Mit freundlichen Grüßen Reinhard Muth Heckenweg 14; 71566 Althütte Tel.: 07183 41092
Quellen:
(1) https://www.presseportal.de/pm/62786/5235942
(2) https://www.dvgw.de/der-dvgw/aktuelles/presse/presseinformationen/dvgw-presseinformation-vom-28102021-start-h2-beimischung-in-gasnetze
(3) https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020_2024/2021_06_wasserstoff_klasse_statt_masse.html
Für weitere Infos: https://muth-ah.info/pages/klima-und-umwelt/energiewende/wasserstoff.php