15.12. Die "Letzte Generation" und das (un-)gesunde Volksempfinden
In der Taz und auf TELEPOLIS sind heute ein lesenswerter Kommentare zu den Aktionen der "Letzten Generation" zu lesen: "Politik der Doppelmoral" und "Demokratie-Dilemma: ..."
Besonders gut gefallen hat mir die Erinnerung an andere Straßenblockaden in der TAZ:
"Angesichts der heftigen Reaktionen auf die Straßenblockaden der Klimaaktivisten der Letzten Generation könnte man vermuten, dass besonders die als Garanten des Rechtsstaats auftretenden Politiker von CDU und CSU seinerzeit die protestierenden Kraftfahrer als „kriminelle Straftäter“ beschimpft und Forderungen an die Justizminister aufgestellt hätten, die Verbrecher auf acht Rädern „einfach wegzusperren“. Man könnte auch annehmen, dass Blockierer in konsequenter Anwendung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in Präventivhaft genommen wurden.
Das Gegenteil war der Fall. Die Polizei ließ die Lkw-Blockaden auf den Straßen stehen und notierte nicht einmal die Autokennzeichen der Fahrzeuge. Bayrische Politiker setzten keine Hundertschaften der Polizei in Marsch, um die Straßen zu räumen, im Gegenteil: Minister, Staatssekretäre und Abgeordnete der CSU pilgerten zu den Blockierern, um ihre Solidarität zum Ausdruck zu bringen. Der damalige bayrische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß warf sich sogar in Trucker-Kluft, um seine „volle Unterstützung“ mit den Protestierenden zu zeigen."
In TELEPOLIS liest man:
"Schon lange stellt sich die Umwelt- und Klimabewegung die von Bertrand Russell auf den Punkt gebrachte Frage, wie die Menschheit überredet werden kann, "in ihr eigenes Überleben einzuwilligen".
Ein weiteres Problem ist, dass die Menschheit als solche darüber nicht demokratisch abstimmen darf – was in reichen Industrieländern demokratisch entschieden wird, bleibt nicht in den reichen Industrieländern, wenn es um Wirtschafts- und Energiepolitik geht. Andere spüren die Folgen sogar zuerst. Und auch hier haben Lobbyisten faktisch mehr Einfluss als einfache Wahlberechtigte – während diejenigen, die es am längsten ausbaden müssen, noch gar nicht mit abstimmen dürfen."
Weiter unten ist zu lesen:
"Stimmungsmache durch selektive Berichterstattung
Ob solche cholerischen Autofahrer immer bereitwillig Rettungsgassen bilden, darf bezweifelt werden, aber wenn sie es nicht tun und der Stau durch eine Protestaktion verursacht wurde, sind für breite Teile der Öffentlichkeit die "Klima-Chaoten" schuld, auch wenn sie selbst Rettungsfahrzeuge durchlassen.
Obwohl gerade in der Hauptstadt Autofahrer keine Mehrheit sind – nur etwa jeder zweite Haushalt in Berlin hat ein Auto, weniger als jeder fünfte nutzt es täglich – funktioniert die mediale Stimmungsmache. Schwerverletzte und Tote, die in der bundesdeutschen Verkehrspolitik unter anderem durch den Verzicht auf ein allgemeines Tempolimit stillschweigend eingepreist sind, kommen individuell nur selten tagelang in die Schlagzeilen – es sei denn, es besteht der Verdacht, dass eine Aktion der Klimabewegung ihre Rettung verzögert hat."