26. September, Wahlparty in Greifswald
Inzwischen ist es schon viertel vor Zwölf am nächsten Morgen. Die Sonne wird noch von einem Dunstschleier gebremst. Gestern brannte sie wie im Hochsommer herunter. Das nutzte ich für ein Sonnenbad vor dem Wohnwagen.
Am Nachmittag lud ich dann mein Fahrrad auf den Fahrradträger und fuhr noch einmal nach Greifswald. Nach wenigen Kilometern hielt ich erst einmal an und säuberte die Frontscheibe von der Hinterlassenschaft der Läuse. Die Scheibenwaschanlage konnte diese Punkte nicht entfernen. Der Weg ist weit, auf den Bundesstraßen sind einige Raser unterwegs, die Nebenstraßen sind oft mit Schlaglöchern übersät. Ich entschied mich für den Weg über die Bundesstraßen. Dazu muss ich erst einmal 16 km kerzengerader frisch gesplitteter Straße mit 30 km/h Beschränkung hinter mich bringen.
Greifswald ist eine ehemalige Hansestadt mit zahlreichen imposanten alten Gebäuden in der Altstadt. Ein Kirchturm ragt besonders heraus, der des Doms. Zu Fuß hätte ich die ganze Innenstadt gar nicht begehen können. Mit dem Rad kam ich mir fast vor wie in Münster. Da Greifswald auch Universitätsstadt ist, sind hier viele Radfahrer unterwegs. Es gibt zahlreiche Radwege und sogar Fahrradstraßen! Wie in Münster kann man auf dem baumgesäumten Stadtwall mit dem Rad schnell vorankommen. Die nächste Überraschung für mich war der Hafen. Ich hatte bisher Greifswald nicht als Hafenstadt im Sinn. Heute dient der Hafen allerdings nur noch den Freizeitschiffern. Es war noch viel los. Alleine vier Restaurantschiffe lagen im Hafen. In der Nachbarschaft stand ein Zirkuszelt.
Das Treffen der LINKEN fand in einem Lokal der Altstadt statt. Da der Landkreis sehr weitläufig ist, waren nicht mehr Mitglieder zusammen gekommen, als bei uns in Waiblingen. Das Wahlergebnis war natürlich ein Schock für uns. Warum haben so viele Wähler die LINKE nicht als die Partei mit dem besten Wahlprogramm für soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz wahr genommen? Warum zählen negative Gefühle gegenüber mehr Gerechtigkeit und wirksamen Klimaschutz deutlich mehr als ein gutes Sachprogramm?
Der Rückweg in der Nacht war auch nicht ohne. Die Bundesstraßen sind über lange Strecken schnurgerade. Es gibt meistens Gegenverkehr. Man muss also mit Abblendlicht fahren. Allerdings wird trotz Dunkelheit mit 100 km/h oder mehr gerast. Als Ortsfremder entsteht dabei ein ganz mulmiges Gefühl. Ich war froh um jeden vorausfahrenden PKW, der mir die Verantwortung für eine freie Fahrbahn abnahm.
Zum Schluss versagte auch noch das Navi. Der Abzweig nach Lassan liegt als geradeaus Fahrtrichtung in einer Rechtskurve der Bundesstraße. Vom Navi gab es keinen Hinweis, dass es hier geradeaus weiter geht, statt rechts ab auf der Bundesstraße zu bleiben. Zum Glück erkannte ich den Abzweig im Vorüberfahren und konnte gleich danach wenden. Dann waren wieder die 16 km schnurgerader Landstraße mit 30 km/h Beschränkung zu bewältigen. Diesmal fuhr ich deutlich schneller als erlaubt, weil erstens der Splitt schon festgefahren ist und zweitens ich niemanden so spät am Abend mit aufwirbelnden Splitt gefährden konnte. Mit der Ankunft am Wohnwagen war ein ereignisreicher Nachmittag zu Ende.