3.1.22 TAZ Interview mit Linken-Chefin

Reinhard (Reinhard_info) on 03.01.2022

Heute ist in der TAZ ein Interview mit Susanne Henning-Welsow zu lesen. Diese klaren Worte hätte ich mir schon früher gewünscht. Mal abwarten, wie die namentlich angesprochenen Klaus Ernst und Dietmar Bartsch darauf reagieren!

Hier mir wichtige Ausschnitte aus dem Interview:

"Warum wurden eigentlich keine Konsequenzen aus diesem verkorksten Wahlkampf gezogen? Die Vorsitzenden der Bundestagsfraktion bleiben im Amt, obwohl Dietmar Bartsch Spitzenkandidat war. Und der Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler, der den Wahlkampf gemanagt hat, macht ebenfalls weiter.

Der jetzige Parteivorstand ist erst seit Februar im Amt. Wir haben damals eine sehr schwierige Aufgabe übernommen, die jetzt noch größer geworden ist, nämlich die Neuaufstellung der Partei. Ich habe aber darüber nachgedacht, ob ich persönliche Konsequenzen ziehe.

Was hat Sie bewogen weiterzumachen?

Dass ich in dieser Situation nicht gehen und einen noch größeren Scherbenhaufen hinterlassen kann. Weil wir Vorsitzenden es sind, die den Prozess einer Neuaufstellung organisieren müssen. Ob wir das schaffen, das wird sich über die nächsten Monate zeigen. Aber wenn ich feststelle, dass ich nicht die Richtige dafür bin, dann werde ich auch nicht an meinem Amt kleben. Das ist so. Und das würde ich auch allen anderen empfehlen."


"Wie erklären Sie dann, dass die Fraktion im Bundestag, zu der Sie ja auch gehören, den Autofan Klaus Ernst im Dezember zum Vorsitzenden des Ausschusses für Klima und Energie bestimmt hat?

Es gab um die Besetzung dieses Ausschusses sehr viele Diskussionen. Janine Wissler und ich hätten als Parteivorsitzende der Linken gern eine andere Person dort gesehen. Die Fraktion hat sich in der Mehrheit für Klaus Ernst entschieden. Er wird zeigen, ob er den klimapolitischen Weg der Partei auch an der Seite von Bewegungen, die sich dem Pariser Abkommen verpflichtet fühlen, gehen wird.

Was erwarten Sie denn konkret von ihm?

Ich fände es gut, wenn er sich mit Fridays for Future, Ende Gelände und anderen Bewegungen auseinandersetzt und hilft, eine Debatte auf den Weg zu bringen, wie unterschiedliche Generationen beim Thema Klimaschutz an einem Strang ziehen können. Und ich habe den Anspruch an ihn, dass wir gemeinsam sehr deutlich machen, dass fossile Energien nicht die Zukunft dieses Planeten sind.

Dazu gehört ja dann auch Erdgas.

Und das meine ich auch.

Klaus Ernst und andere in der Linksfraktion werben aber offensiv für die Inbetriebnahme der Gaspipeline Nord Stream 2. Die Linkspartei drückt sich um eine klare Position herum. Im Wahlprogramm wurde Nord Stream 2 nicht erwähnt.

Im Wahlprogramm fordern wir ein Erdgasausstiegsgesetz und den Rückzug des Staates aus Investitionen, die der fossilen Energiegewinnung dienen. Das heißt also, wer für Nord Stream 2 wirbt, muss gleichzeitig ein Ausstiegsszenario formulieren.

Ist es aus Ihrer Sicht notwendig, dass Nord Stream 2 den Betrieb aufnimmt?

Für die Energieversorgung brauchen wir die Trasse und diese Erdgaslieferungen grundsätzlich nicht. Das ist aktuell allerdings schwierig zu vermitteln, da mit der Verknappung von Gas die Energiepreise steigen.

Tausende Linke haben einen offenen Brief gegen die Wahl von Ernst unterschrieben. Wie ist die Stimmung in der Partei, nachdem die Fraktion sich für ihn entschieden hat?

Erwartbar unterschiedlich. Die einen sagen, mit der Personalie wird eine politische Entscheidung getroffen, die nicht der Klimapolitik der Linken entspricht. Und andere sagen, jetzt lasst ihn doch erst mal machen.

Es gab über die Linke hinaus enttäuschte Reaktionen von Menschen und Organisationen, die der Linken nahestehen, wie zum Beispiel Carola Rackete und Fridays for Future. Kann der Fall Ernst langfristig zum Bruch zwischen der Linkspartei und solchen Bewegungen führen?

Nein, das sehe ich nicht. Die Grünen in der Ampel werden wahrscheinlich die von ihnen versprochenen Klimaziele nicht erreichen können. Das ist bedauerlich in der Sache. Zugleich liegt darin eine Aufgabe für die Linke. Denn viele Menschen glauben an die Linke. Daran, das wir eine wesentlich radikalere Klimapolitik machen könnten, weil wir eine gesellschaftliche Perspektive in den Mittelpunkt rücken und nicht einfach weitermachen wollen in einem grünen Kapitalismus. Und wir können uns keinen Ausfall der Partei Die Linke leisten. Die Nominierung und die Wahl von Klaus Ernst spiegelt vor allem eine Form von Entfremdung in den politischen Zielsetzungen und der Strategie zwischen Partei und Fraktionsspitze wieder."

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